Friedberg, 04.12.2023
Auch der private Objektschutz ist wichtig
Die Stadt Friedberg hat bei einer Bürgerversammlung am 30. November in der Stadthalle zum Thema Schutz vor Hochwasser und Starkregenereignissen informiert. Der Einladung waren rund 50 interessierte Bürgerinnen und Bürger gefolgt.
Stadtverordnetenvorsteher Hendrik Hollender begrüßte die Gäste und Referenten des Abends, Dipl.-Ing. Michael Kühn (Präsident der Akademie für Hochwasserschutz e.V.) und Ingo Wißmer (Stadtbrandinspektor). Beide standen den Bürgerinnen und Bürgern auch für Fragen zur Verfügung. Seitens der Stadt hatten auch Erste Stadträtin Marion Götz und Bauamtsleiter Tobias Brandt auf dem Podium Platz genommen und erteilten ebenfalls Auskunft. Zudem hatte die Stadtverwaltung Informationstafeln mit umfassend Kartenmaterial gestellt.
Die Akademie Hochwasserschutz wurde 2003 im Jahr nach dem großen Elbhochwasser gegründet. Sie schult Einsatzkräfte, vom Technischen Hilfswerk über die Feuerwehr bis zur Polizei. In seinem Vortrag präsentierte Kühn einige Grafiken und erläuterte Begrifflichkeiten und den Unterschied zwischen einem Hochwasser- und einem Starkregenereignis. Während man Hochwasser recht gut prognostizieren könne, verhalte sich dies mit Starkregen anders. Hier falle schlagartig eine große Menge Wasser. Beim Hochwasser (u.a. Flussüberschwemmungen) gibt es entsprechende Vorwarnstufen. Dies gelte auch für die Wetter und die Usa, die beide auch in Friedberger Gemarkung verlaufen.
Wie das Amt für Stadtentwicklung, Liegenschaften und Rechtswesen konstatiert, gibt es an der Usa eine städtische Hochwasserschutzanlage, bestehend aus Deichen und Schutzmauern, von den 24 Hallen bis zur Kläranlage in Fauerbach. Ferner befindet sich eine Hochwasserschutzanlage an der Wetter in Bruchenbrücken, welche die gesamte Ortslage schützt. Bauherr war hier Wasserverband Nidda. „Beide Maßnahmen sind auf ein so genanntes 100-jähriges Ereignis mit einem Freibord von 50 cm ausgelegt. Die Mauerhöhe ist nochmals um 50 cm erhöht“, so Amtsleiter Brandt.
Ein Hochwasser, so Kühn, ließe sich mit gut 1,5 bis 2 Tagen Vorlauf vorhersagen, so dass die Einsatzkräfte und die Bevölkerung frühzeitig entsprechende Maßnahmen ergreifen könnten. Dies tut die Feuerwehr Friedberg etwa auch in Form von Bereitstellung von Sandsäcken. Um hier noch professioneller aufgestellt zu sein, plant die Stadt im Haushalt 2024 die Anschaffung einer Sandsackbefüllungsanlage, wie Stadtbrandinspektor Wißmer mitteilte.
Wißmer gab auch Einblicke in vergangene Einsatzschwerpunkte bei Hochwasser und Starkregen in Friedberg. So habe die Feuerwehr in den letzten drei Jahren deutlich mehr Einsätze zu verzeichnen. Dabei sei in erster Linie die Kernstadt bei Starkregen betroffen, wie etwa zuletzt beim Unwetter am 16. August 2023. Es sei schon viel geholfen, wenn die Bürgerinnen und Bürger vor ihren Anwesen mit darauf achteten, Gullys und Rinnen frei von Laub und Erde zu halten, damit das Wasser besser abließen könne.
Experte Kühn betonte, dass es durch den Klimawandel mehr Starkregenereignisse gebe (vor allem in den Sommermonaten). Darauf müssten sich alle Gemeinden und Städte einstellen, wenngleich die Möglichkeiten des Schutzes sehr begrenzt seien. Versiegelte Flächen und zu trockene Böden, bedingt durch lange Perioden ohne Niederschläge, ließen das Wasser, wenn es dann bei Starkregen in Massen herniederkomme, nicht versickern. Zudem seien die Kanalsysteme nicht in der Lage die extremen Wassermassen zu bewältigen. Es gebe keine Kanalisation, die einem Extremereignis (ca. 100 Liter Wasser je qm pro Stunde) Stand halten könne.
Was können die Kommunen tun?
Kühn führte aus, dass es wichtig sei, möglichst wenig zusätzliche Fläche zu versiegeln und ein klimaangepasstes Bauen zu fördern. Dies sein gerade in Ballungsräumen mit hohem Siedlungsdruck alles andere als einfach.
Weiterhin hilfreiche sei es, alte Entwässerungsstrukturen zu reaktivieren und entsprechenden Karten mit zu erwartenden Fließpfaden zu nutzen. Eine solche Karte, betonte Bauamtsleiter Brandt, liege dem Amt für Stadtentwicklung, Liegenschaften und Rechtswesen bereits vor. Auf ihrer Basis soll die so genannte Starkregenkarte entwickelt werden, welche dann auch konkretere Angaben bezüglich der Gefahren durch Starkregen für die Bürgerinnen und Bürger enthält. Auf diese Weise ließe sich ablesen, wie hoch das Wasser vor dem Haus bei einer bestimmten Regenmenge stehe.
Per Definition der Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) haben Fließpfadkarten allerdings eine eingeschränkte Aussagekraft. Die Wirkung von Gräben, Durchlässen und der Kanalisation sind in der Regel nicht berücksichtigt, so dass diese Karten nach Einschätzung des HLNUG für städtisch geprägte Flächen nicht herangezogen werden sollten. Für kleinere Ortschaften im ländlichen Raum könnten sie aber sehr hilfreich sein. Sie zeigen in einer Auflösung von 1m² eine erste Übersicht der potenziellen Fließpfade, die das Regenwasser bei einem Starkregenereignis nehmen würde. Einbezogen werden Hangneigungen in unterschiedlichen Abstufungen, Landnutzungen und Gebäudeinformationen. Die Fließpfade werden mit einem Puffer von 20m dargestellt, um die Gefährdung von Gebäuden oder anderer Infrastruktur besser sichtbar zu machen.
Was kann jeder Einzelne tun?
Grundsätzlich sind Bürgerinnen und Bürger gemäß § 5 Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes selbst verpflichtet, Vorsorge für den Hochwasserfall zu treffen. Eine Verpflichtung für Kommunen, Kreise oder Wasserverbände gibt es nicht. Der private Objektschutz spiele eine wichtige Rolle, so Kühn. Er forderte die Bürgerinnen und Bürger auf, ihre Immobilien auf funktionierende Rückstausicherungen zu überprüfen. Ist eine solche vorhanden? Wo befindet sie sich? Ist sie fachgerecht installiert und vor allem auch funktionsfähig? In diesem Kontext empfahl der Experte, unabhängigen Sachverständige für die Überprüfung zu Rate zu ziehen. Auch wenn der Einbau einer Retentionszisterne keinen 100-prozentigen Schutz bei Starkregen bringt, könne diese ein Ereignis abmildern. Auch hier regte Kühn an, Optionen zu prüfen.
Zum Ende der gut zweieinhalbstündigen Info-Veranstaltung bedankte sich Stadtverordnetenvorsteher Hollender für den informativen Austausch. Die Experten standen den Bürgerinnen und Bürgern schließlich noch einige Minuten an den Info-Tafeln weiter Rede und Antwort.
Informationen zum Schutz vor Hochwasser und Starkregen gab es bei der Bürgerversammlung in der Stadthalle.